Die Wüste Kharma

Behutsam nahm sie im das Dörrfleisch ab. Ebenfalls nicht gerade nach ihrem Geschmack aber es war sowieso für Samia und hier unten konnte man sich sicher auch nicht aussuchen was man gerne auf dem Tisch haben würde. Vorsichtig ließ die das Stück vor Samias Kopf etwas hin und her baumeln und die Kleine bekam sofort eine Art Jagdinstinkt und schnappte danach, bis Misuki ihr vor Schreck wegen dem Beben das Fleisch in den Mund fallen ließ, wo es auch sofort verschwand.
Der ratlose Blick von Rakael war jetzt keinesfalls hilfreich.
"Ich spüre Energa um uns herum.", flüsterte sie, was aber nicht sonderlich hilfreich war. Denn das war nämlich immer der Fall, denn sie spürte wirklich alles. Von Ameise bis Drache. Sie hatte keine Ahnung, was um sie herum war. Aber immerhin war die Wüste ja nicht tot - zumindest nicht komplett.
"Aber es könnte auch nur irgendwas...naja, anderes sein. Ich kenn mich mit Wüstenlebewesen nicht sonderlich aus."
Vielleicht war auch nur der Tunnel etwas instabil, aber das war eindeutig die schlechtere Vorstellung. Außerdem hätte sie ein Paar Energavorräte dringend nötig, weshalb sie liebend gern mal eine der Energaquellen angesteuert hätte, aber der Drang zu Urululu zu kommen war eindeutig stärker. Und wichtiger.

"Also hat uns jemand verfolgt... Irgendwie ein beunruhigender Gedanke. Wenn er freundlich gesinnt gewesen wäre, hätte er uns wohl gerettet. Andererseits", überlegte Mai laut vor sich her. "Vielleicht war es-"
Sie musste den Namen nicht aussprechen, denn eben jene Person trat nun zu ihnen. Ein etwas mulmiges Gefühl beschlich sie, als sie Isabellas Worten lauschten und sie war sich nicht sicher, ob Jet schon bereit dafür war. Oder ob sie selbst überhaupt schon weiterziehen wollte: "Wohin denn?"

"Ehrlich? Bis auf meine Klauen kann ich nicht viel beisteuern.", meinte Misuki etwas verlegen. Zwar könnte sie ihre druidiale Magie schon einsetzen, aber das würde sie große Schmerzen und Anstrengung kosten, was sie wirklich nur im Notfall riskieren würde, da dies wohl oder übel zu einer Ohnmacht führen würde. Solange Samia auf ihrem Rücken hockte durfte sie sich einen solchen Fehltritt nicht erlauben.
Außerdem wusste sie noch nicht, wie sie mit einem Skorpionbaby auf dem Rücken kämpfen konnte. Immerhin hatte sie nicht gerade viel üben können, wo Samia doch erst vor einigen Stunden geschlüpft war. Ihre einzige Chance war es, von einem Gegner ihre Energa zu beziehen.
Dennoch holte sie bereit ihr Messenjar heraus und stülpte es sich über die Hand.
"Warum? Muss ich mir Sorgen machen?", fragte sie noch, aber da spürte sie schon wie Bewegung in die vielen Energaquellen um sie herum geriet. Sicher, einige waren so klein, dass es sich höchstens um Ameisen handeln konnte, andere hingegen waren um einiges größer.

Vorsichtig stützte Misuki sich von Mary's Panzer ab, um sich in die Hocke zu drücken und drehte sich dann noch behutsamer um, damit Samia zwischen ihrem und Rakaels Rücken in Sicherheit war, während sie ihre Rückseite beobachtete. Der große Stachel baumelte verschwörerisch über ihrem Kopf, aber sie versuchte es zu ignorieren.
Viel mehr hatte sie vor dem Angst, was um sie herum krabbelte. Ihre überempfindlichen Ohren hörte ein Tribbeln wie von Käfern auf trockener Erde, nur viel lauter. Wenn es wirklich Insekten waren, mussten sie ziemlich groß sein, was sie auch daran erkannte, dass recht große Energaquellen sie umzingelten.
Das Irrlicht konnte nur einen kleinen Kreis erhellen, dessen Ränder im Halbschatten lagen und nur ab und an konnte Misuki tatsächlich ein Bein oder etwas ähnliches erkennen. Zwar waren ihre Augen in der Dunkelheit etwas besser, aber selbst die Energa zeigte ihr mehr als die konturlosen Schatten, die nur manchmal wirklich sichtbar wurden.
"Sie sind so nah...", hauchte sie, nicht darauf bedacht ob Rakael sie wirklich hören konnte oder nicht. Sie hatte nicht mal darauf geachtet in welcher Sprache sie es sagte, aber sie konnte Samia spüren die sich auf ihrem Rücken zusammenkauerte.
"Was sind das für Dinger?"

Hätte Isabella sie alleine gefragt, hätte Mai nicht gewusst, was sie davon halten sollte aber wenn Jet damit einverstanden war, konnte es doch nichts gefährliches sein. Oder?
Sie wechselte mit dem Jungen einen besorgten Blick, zuckte schließlich aber mit den Schultern: "Dann mal los."
Wenn sie mit der ganzen Meute da draußen aufbrachen, würde schon nichts passieren, dachte das Mädchen noch, während sie Isabella folgte. Hoffentlich.

Es war wohl nur ihren übermenschlichen Reflexen und dem Geist von Inari zu verdanken, dass Misuki es schafften den Pfeilen auszuweichen, wobei sie zwei auch mit ihren Krallen zerschlagen musste, bevor sie sich ihr in die Brust rammen konnten.
Nun fuhren ihren Augen hektisch umher, auf der Suche nach den sich nähernden Energaquellen. Leider konnte sie nur die hinter ihnen sehen, aber da Mary jetzt in seinem beachtlichen Tempo voraneilte, waren die Meisten sowieso hinter sie gefallen.
"Dort, 2 Uhr!", rief sie, wobei sie - vielleicht dummerweise - von ihrem eigenen Standpunk ausging und deutete in eben jene geschriehene Richtung, als gerade ein Ranji auf sie zusprang. Misuki kümmerte sich nicht weiter darum, denn im selben Moment attackierte sie ein Zweiter von der anderen Seite. Aber diesesmal sagte die Kitsune nichts, sie wartete bis das Insekt sich in der Luft befand und nicht mehr ausweichen konnte, dann stieß sie ihre Krallen nach vorn, was allerdings von der Kralle des Ranjis pariert wurde. Dennoch saugte sie ihm bei diesem kurzen Kontakt so viel Energa aus wie nur möglich, was man daran erkennen konnte, dass die Lider des Käfermenschen kurz zu flattern begannen, als würde er eine Art Anfall haben. Dies wäre aber nur wenige Augenblicke, genauso wie die Berührung viel zu shcnell abbrach und der Rnaji wieder aus ihrem Lichtkreis verschwand. Die Energa reichte noch lange nicht, um einen Wirkungsvollen Zauber zu bewirken.
"12 Uhr!"

Vollkommen überfordert sah Misuki die Ranji wie bewegliche Schatten aus der Dunkelheit auf sie zustürzen, bis die Sandwand Rakaels sie selbst in erschreckende Finsternis hüllte. Samia zitterte auf ihrem Rücken während Misuki - unfähig Rakael irgendwie zu helfen - versuchte sie zu beruhigen.
Als sie dann aber den Druck spürte, der nur von dem Gefühl des schnellen Falls kommen konnte, verließ auch sie sämtliche Hoffnung, auch wenn sie noch für einen kurzen Augenblick dachte, das Mary nur eine Kante herunter gesprungen wäre um gleich wieder auf festem Boden zu landen, aber der Fall war eindeutig zu lang und der erhoffte Boden wurde zur Todesfalle.
Vor lauter Panik war sie kurz davor, ihre eigene Energa zu nutzen um einen rettenden Zauber zu wirken, aber zu spät...

Etwas verstört rieb sich Misuki den Hinterkopf, der ihr aus irgendeinem unerfindlichen Grund wehtat, bevor sie sich noch vergewisserte, dass an ihr und Samia noch alles dran war. Erst dann stieg sie von Mary herunter, trat an die Seite von Rakael und spähte in die dunkle Ferne, die vom Irrlicht nur schwach beleutet wurde.
Dennoch war der Anblick erschreckend. Dutzende Ruinen von kleinen Wohnhäusern bis hin zu großen Prachbauten waren selbst in diesem kleinen Radius zu erkennen, wenn er auch bei Misuki um einiges größer war. Vorsichtig trat sie näher, stets darauf bedacht jede Energa sofort zu bemerken, und besah sich die Ruinen genauer. Über jedem Türrahmen war ein Kreis zum Sitz eines Symbols eingelassen worden, das ihr nur zu bekannt vor kam. Das Zeichen der Winterboten. Zwar war der Baum nicht ganz so kahl wie sie es kannte, aber dennoch unverkennbar der Stil der Winterboten.
"Ich nehme mal an, das hat es etwas mit dem Volk zu tun, das vor deiner Zeit hier lebte, Rakael.", rief sie ihm gedämpft über die Schulter zu, bevor sie sich ein Stück weiter in die von Trümmern verbarrikadierten Straßen vorwagte. Vielleicht waren sie nicht mehr auf dem Weg zu Urululu, aber dieser Ort weckte in Misuki eine gewisse Neugier. Was machte das Zeichen der Winterboten, denen sie selbst seit kurzem angehörte, hier an einem solchen Ort sicher Meilen unter dem Wüstensand.

Oh, natürlich. Wieder Ungeheuer reiten. Sie sollte das als Sport neben dem Tanzen ausüben, langsam hatte sie schon echt Übung darin.
Mit einem sehr, sehr mulmigen Gefühl stieg sie auf den Wurm, schickte eine Stoßgebet gen Himmel und schloss dann fest die Augen als es los ging. Wahrscheinlich würde sie nie Gefallen daran finden, egal wie oft sie es noch tun musste aber wenigstens musste sie nicht...
Sie sah Jets leicht grünliches Gesicht und ein nervöses und gleichzeitig leicht bösartiges Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht: "Wage es..."

Etaws verwundert sah Misuki zu Rakael zurück, der sich anscheinend noch nicht traute aus dem Lichtkreis seines Irrlichts zu treten und lieber den Boden untersuchte, was der Kitsune ein Lächeln aufs Gesicht rief. Wahrscheinlich konnten nur Menschen der Wüste Sand so interessant finden. Deshalb hatte er wohl noch nicht die Symbole auf den Ruinen entdeckt.
"Du hast mir doch erzählt, dass eure Vorfahren in einem ähnlichen Krieg steckten und ihr selbst nur wenige Generationen alt seid - und das du im Bezug auf eure Vergangenheit etwas gelesen hast, was mit den Winterboten zu tun hatte. Nunja, auf diesen Ruinen ist ein Symbol, dass den ihrigem wirklich ziemlich ähnelt. Und dieser Ort ist sicher nicht erst ein paar Jahrzehnte alt.", versuchte sie ihre Gedankengänge zu erklären.
Vorsichtig strich sie üben eine Häuserwand neben sich und der Stein brach zum Teil zu Sand zerfallen davon ab.
"Jahrhundertealt trifft es wohl eher."Und wenn man bedachte, dass dieser Ort tief am Grund einer Schluch lag, konnte man wohl nachvollziehen, warum hier keine einzige Energa zu finden war. Allerdings hatte Misuki ein unangenehmes Gefühl in Nacken. So als würde sie jemand beobachten und ihre animalische Vorahnung ließ sie den Blick nach oben richten.
Wie ein Sternenhimmel leuchteten dort oben mindestens ein Dutzend Energas, die an den Wänden der Schlucht nach unten krabbelte. Diese Ranjis waren also wirklich Insekten. Verdammt unnachgiebige Insekten.
"Sie kommen!", rief sie und rannte aus dem Dunkel in den Lichtkreis des Irrlichts zurück, "Die Ranjis!"

Erst war Misuki etwas verwirrt, erkannte aber dann im Dunkeln auch den Schemen, der zu flüchten schien. Merkwürdig, dass sie ihn nicht bereits gerochen hatte, aber sie musste auch zugeben, dass sie sich bis eben nicht sonderlich darauf konzentriert hatte.
Schnell sah sich noch einmal hoch zu den Dutzenden Energas, die über ihrem Kopf schwebten, aber sie schienen vorerst halt gemacht zu haben. Dennoch wäre ir eine solche Energiequelle langsam ziemlich recht gewesen. Ohne ihre Magie fühlte sie sich etwas machtlos.
Dennoch blieb ihr nicht die zeit zu warten bis der eine oder andere Ranji die Barriere durchbrach, denn sonst würde sie Rakael verlieren, der bereits den Flüchtling verfolgte. Halb gebückt, als würde sie auf allen vieren Laufen wollen, während die Arme stattdessen ungenutzt nach hinter gestreckt waren, rannte sie dem Skorpionkrieger mit einem beachtlichen tempo hinterher, welches etwas vom Gewicht des Skorpionbabies auf ihrem Rücken gebremst wurde - dennoch hatte sie ihren Gefährten bald eingeholt.
"Wer - oder was, ist das?"